Im urbanen Raum stellen immer mehr Menschen ihr Verhalten um. Nachhaltigkeit und Effizienz rücken weiter in den Vordergrund. Dieser Paradigmenwechsel lässt sich durch Angebote und Förderung gezielt stimulieren und katalysieren. Dessen ist sich Thomas Daiber sicher. Mobilitätsservices werden gebündelt und als vernetzte Ökosysteme betrachtet, Elektromobilität wird gefördert.
«Amsterdam z.B. ist seiner Parkplatznot begegnet, indem es seine Einwohner:innen mit in die Verantwortung nahm. Willst du einen Parkplatz direkt vor deiner Haustür, beantrage einen MIT Ladesäule! Zudem wurden elektrische Firmenwagen steuerbegünstigt. Beide Massnahmen haben Menschen zum Kauf von E-Autos motiviert, und heute beraten die Niederländer Städte in der ganzen Welt, wie der Verkehr umgebaut werden kann.» Übrigens, waren die Niederlande nicht immer eine Nation von Radfahrer:innen. Wie anderswo auch wurde erst auf das Auto gesetzt. Die hohe Zahl der Verkehrstoten aber veranlasste ein Umdenken: E-Bike und Elektroauto wurden beliebter.
«Bei 17 Millionen Einwohnern gibt es heute rund 23 Millionen Fahrräder in den Niederlanden und über 3100 Radläden. Allein Amsterdam hat fast 770 Kilometer Radwege. Finanziert wurde das Anlegen des neuen Radwegenetzes unter anderem durch Parkgebühren.»
Wenn Energie auf Mobilität trifft, wird es für Thomas und sein Team interessant. Sein Unternehmen berät Automotive- und Energieunternehmen, aber auch politische Institutionen wie Ministerien rund um den Globus. «Ich liebe es, ehrgeizige Pläne zu machen, (Markt-) Dynamiken zu beobachten, Ambitionen strategisch mit Substanz zu unterfüttern.» Thomas’ Stirn, die die meiste Zeit überlegt und in Falten gelegt ist, wird hier weich und seine Leidenschaft spürbar.
«Cosmic Cat ist ein Team eingeschworener Idealisten», fügt er an, «das hochspezialisierte Themen lösen kann - mit tiefgreifender Branchenerfahrung und weitem Netzwerk. Wir erlauben uns, bei Kundenprojekten als Co-Unternehmer aufzutreten. Das ist, was uns auch an der Zusammenarbeit mit Baloise gefällt. Im Bereich Mobilität agiert das Unternehmen als Venture Capital: Diverse Mobilitätservices finden in seinem Ökosystem zusammen. Während wir unsererseits Expertise im Bereich Due Diligence und Wachstumsstrategien in der Elektromobilität einbringen, gewinnen wir umgekehrt wertvolle Einsichten über das gesamte Spektrum der Mobilität von Morgen. Wir lernen gemeinsam.»
Dass sich Thomas aus einer Schreiner-Familie aus einem Dorf bei Biberach zum Strategen für Mobilität und Energie entwickeln würde, lag nicht auf der Hand. Denn 2002 ist er noch Teil einer Indie Rock Band und studiert Musik und Philosophie. Neben seinem Studium arbeitet er als freier Journalist. «Erst als ein Bandkollege über Nacht berühmt wurde und mich die Musikbranche immer mehr desillusionierte, wollte ich mich neu erfinden.»
Ab 2004 geht’s an der Uni fortan um Technologie und Produktmanagement. «Ich habe großen Handlungsbedarf darin gesehen, eine Brücke zwischen Energie und Automotive zu schlagen. Damals war das Neuland für Exoten und Geeks. Heute ist es Mainstream und "Sektorenkopplung" ein beliebtes Buzzword», lacht er.
Seine Karriere führt ihn u.a. ans Fraunhofer Institut nach Freiburg, dort beschäftigt er sich mit solaren Energiesystemen. Bei Mercedes entwickelt er erste Wasserstofffahrzeuge mit, und und bei EnBW leistet er 2010-2012 Pionierarbeit im Produktmanagement für Ladestationen. Bosch und Porsche gehören ebenso in die Liste seines Werdegangs. «Das Wichtigste, das ich während meiner Laufbahn mitgenommen habe: Die tiefe Überzeugung, aus etwas Kleinem etwas Großes erschaffen zu können und sich diesem Weg mit allem Auf and Ab zu verschreiben. In der Regel scheitert es nicht an der Finanzierung, sondern am Mut und dem Willen Neues zu erschaffen. Es geht darum den Stein ins Rollen bringen und offen zu sein, zu lernen.»
2013 steigt Thomas beim Joint Venture «Hubject» ein, einer Plattform für die betreiberübergreifende Vernetzung von Ladeinfrastrukturen. Energieversorger treffen auf OEM’s und Zulieferer, Thomas wird vom R&D-Chef schließlich zum CEO, und eine Vision bekommt Flügel: Unabhängig vom jeweiligen Anbieter offeriert das heute weltweit größte E-Roaming Netzwerk für E-Mobilität mit Töchtern in USA und China ein barrierefreies Ladeerlebnis für Fahrer:innen von Elektrofahrzeugen.
«Ich bin mir sicher, dass in der system- und grenzüberschreitenden Aggregation von Services unsere Zukunft liegt. Schon heute finden wir in ersten Städten verschiedene Fortbewegungsarten an nur einer Mobilitätsstation. Smart Cities bündeln diverse Serviceangebote in einer App und das ist nur der erste Schritt: Die Systeme werden intelligenter und die Kundenangebote einfacher, vernetzter und maßgeschneiderter. Der Besitz eines Autos, das durchschnittlich 96% der Zeit steht, viel Platz wegnimmt und ein bis zwei Tonnen wiegt, wird dadurch für Nutzer:innen immer unattraktiver – sowohl ökonomisch als auch in Bezug auf Komfort.»
«Ich bin mir sicher, dass in der system- und grenzüberschreitenden Aggregation von Services unsere Zukunft liegt. Smart Cities bündeln diverse Serviceangebote in einer App.»
Klar, dass es neben der Aneignung neuer Kernkompetenzen in den Bereichen Software, Big Data, Sensorik und Energie - vor allem Geschwindigkeit und Resilienz braucht. «Wir setzen auf loyale Langzeitkooperationen», ergänzt Thomas, «solche, wie mit Baloise. Wir brauchen Mobilitätsvisionäre mit der Mentalität anzupacken, Geld, guten Argumenten und langem Atem. In Automobilländern wie z.B. Deutschland geht es um nicht weniger als die Aufrechterhaltung des Wohlstands. Und noch mehr, um den künftigen Lebensraum sowie das gesundheitliche Wohl nächster Generationen. Die nachhaltige Substitution des Pkw’ als Besitzgegenstand hin zum Mobilitätsservice wird zum heiligen Gral der Mobilitätswelt . Dadurch zurückgewonnene (ehemalige Park-) Flächen gingen an Bewohner:innen zurück. Doch wie können unternehmerische und politische Perspektiven gemeinsam den Wandel bewegen?»
«Wir begreifen die rasante Technologieentwicklung als große Chance für einen emissionsfreien Verkehr und lebenswertere Städte.»
«Dort, wo Städte bereits menschengerechter gedacht wurden, wo Lebensräume für die Bewohner:innen zurückerobert wurden, wo Nachhaltigkeit und Vernetzung Anwendung finden, sind alle happy», betont Thomas.
«Wir brauchen mehr mutige Politiker:innen und mehr Vorzeigestädte, die politische Instrumente als Anreize nutzen, um Mobilität zu humanisieren. Klar, sind solche Entscheidungen – weg von einer autogerechten Stadt - nicht überall opportun. Autos sind immer noch Teil unseres Lifestyles. Wähler:innen haben das Gefühl, man nähme ihnen etwas weg. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wir gewinnen mehr Lebensqualität in unseren Städten. Es geht am Ende um nicht weniger als eine ökonomische Entscheidung: Wann verstehen wir, dass E-Mobilität und Mobility-as-a-service wirtschaftlich und ökologisch alternativlos sind? Wann hören wir auf, über politische Feigenblätter wie e-Fuels zu diskutieren, während in China Fakten geschaffen werden und uns die Konkurrenz in allen Disziplinen davonfährt? Es war nie klarer, etwas zu tun ist. Wir müssen es JETZT anpacken.»