Trend 1: Steigende Staatsverschuldung bedingt finanzielle Repression und Steuererhöhung
Anders als bei der Finanzkrise kam angesichts der jüngsten Krise auch die Fiskalpolitik zum Zug. Regierungen weltweit schnürten massive Hilfspakete, um einerseits Unternehmen mit genügend Liquidität zu versorgen und andererseits die Lohneinbussen von Arbeitnehmern zu mindern. Dies war zwingend notwendig, um der globalen Rezession entgegenzuwirken, hat aber zur Folge, dass die bereits hohe Staatsverschuldung in vielen Ländern beispiellos in die Höhe schnellen wird. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass der Anstieg der globalen Staatsverschuldung dieses Jahr mehr als 6-mal so hoch sein wird wie im Vorjahr.
Wichtig wird sein, wie Staaten ihre Schulden abzubauen gedenken, wobei dies von Land zu Land unterschiedlich sein dürfte. Wir sehen eine Kombination der folgenden beiden Mechanismen als wahrscheinlich an:
Finanzielle Repression: Wir rechnen damit, dass die Zentralbanken weiterhin im grossen Umfang Staatsanleihen erwerben, d.h. ein Grossteil der neuen Schulden der Staaten auf den Bilanzen der Zentralbanken landen, wo sie auch bleiben werden. Dies hat zur Folge, dass das Zinsniveau tief bleiben wird und Investoren zur Erreichung höherer Renditen noch stärker in risikoreiche Anlagen ausweichen müssen. Die von den Zentralbanken bereitgestellte Liquidität wird wie in den letzten Jahren eine wichtige Stütze für risikobehaftete Anlagen wie Aktien oder Unternehmensanleihen bleiben (siehe Grafik 2) aber birgt langfristig auch das Potenzial für höhere Inflationsraten. Bei steigender Inflation reduziert sich die Schuldenlast, d.h. es liegt grundsätzlich im Interesse der Regierungen, dass die Teuerung ansteigt. Das ist jedoch nicht etwas, das direkt und ohne Kollateralschäden gesteuert werden kann. Entsprechend sehen wir einen starken Anstieg der Inflation angesichts der aktuell stark deflationären Entwicklungen als unwahrscheinlich an. Die Beschleunigung des Protektionismus (siehe Trend 2) dürfte die Teuerung längerfristig aber wieder etwas ansteigen lassen.
Steuererhöhungen: Die Wahrscheinlichkeit von industriespezifischen Steueranpassungen erachten wir als hoch, denn bereits vor der Corona-Krise standen Vorschläge für Umweltsteuern und höhere Beiträge von IT-Unternehmen zur Debatte. Der Vorschlag der Europäischen Kommission für das EU-weite Hilfspaket, soll beispielsweise nicht nur den Aufbau unterstützen, sondern auch eine Investition in die Zukunft sein («Next Generation EU»). Im Speziellen soll der Plan den europäischen Grünen Deal und die Digitalisierung unterstützen. Grundsätzlich sind Steuererhöhungen Gift für die Wachstumsdynamik, weshalb diese erst bei einer ausreichenden Stabilisierung der konjunkturellen Lage in Angriff genommen werden dürften.