"Wir werden heute gleich mehrere Szenarien durchspielen: Als erstes werden wir die Ist-Situation gemäss geltender gesetzlicher Vorgaben analysieren. Weiter werden wir aufzeigen, welche Bremsleistung nach heutigem Stand der Technik möglich wäre und zum Schluss werden wir uns ansehen, was bei einem Unfall ohne Einsatz des Bremsassistenten geschieht", erklärt Daniel Junker, Leiter Fahrzeugexperten bei der Baloise, das Tagesprogramm. Die Baloise führt zu Präventions- und Sensibilisierungszwecken seit über 10 Jahren in Partnerschaft mit dem DTC Fahrzeugcrashtests durch.
Das diesjährige Thema ist brisant: Die Fahrzeugassistenzsysteme der Lastwagen. Die Polemik flammt nach jedem grösseren Lastwagen-Auffahrunfall auf. "Hätte ein solcher Unfall verhindert werden können?", fragt man sich stets im Nachgang. Gemäss Unfallstatistiken des ASTRA wurden allein in der Schweiz über die letzten fünf Jahre 147 Personen Todesopfer von Unfällen im Zusammenhang mit Lastwagen. "Umso wichtiger ist es, neben zahlreichen bereits ergriffenen Massnahmen, weitere Möglichkeiten zur ständigen Verbesserung der Verkehrssicherheit zu nutzen – so wie es auch der Bund mit dem Handlungsprogramm 'Via Sicura' anstrebt", so Gallus Bürgisser, Vizedirektor der ASTAG.
Die Gesetzeslage bezüglich Notbremsassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge ist europaweit klar definiert: Bei neuimmatrikulierten schweren Nutzfahrzeugen ist ein Notbremsassistent Pflicht. Seit 2018 heisst das, dass das Fahrzeug in der Notbremsverzögerung die Fahrgeschwindigkeit vor einer Kollision um mindestens 20 km/h reduzieren muss. Die Notbremsassistenten dürfen per Gesetz so ausgelegt sein, dass der Fahrer sie ausschalten kann. Tatsächlich geschieht dies in der Praxis auch nicht selten, da die Notbremsassistenten nicht ohne ihre Tücken sind: "Am Schlimmsten, ist es, wenn ein Personenwagen kurz vor der Ausfahrt meinen Lastwagen überholt. Dieses Verhalten ist rücksichtslos, denn es bringt mich als Lastwagenfahrer in eine schwierige Lage: Der Notbremsassistent signalisiert 'Gefahr!' und bremst abrupt ab.
Dass das vordere Fahrzeug dann schnell noch die Ausfahrt erwischt, kann er ja nicht voraussehen. Das unvermittelte Abbremsen hat natürlich für die hinteren Fahrzeuge Folgen und bedarf schneller Reaktionen. Wir appellieren im Strassenverkehr auch auf das rücksichtsvolle Fahren der übrigen Verkehrsteilnehmer. Mit einem bis zu 40t schweren Fahrzeug bist Du einfach mit einer anderen Dynamik unterwegs. Wenn Notbremssysteme in Situationen eingreifen können, wo blitzartiges, richtiges Reagieren unabdingbar ist – wie beispielsweise bei Stauenden – ist das für uns eine deutliche Unterstützung, die wir gerne annehmen", so einer der befragten Lastwagenfahrer.
Der Test mit Notbremsung vor einer stehenden Personenwagen-Kolonne zeigt es schliesslich: Mit Einsatz des Notbremsassistenten und Reduzierung der Geschwindigkeit um 20 km/h wird die Aufprallenergie praktisch halbiert. "Das beweist, dass der Gesetzgeber grundsätzlich auf gutem Weg ist", kommentiert Daniel Junker den Test. Das bestätigt auch der Vergleich zum simulierten Unfall ohne Bremsung durch das Assistenzsystem: Der Lastwagen rast ungehindert in die stehende Autokolonne – die vorderen fünf Personenwagen werden zusammengedrückt. "Dieser Unfall hätte in der Realität einige Todesopfer und Schwerverletzte verursacht", analysiert Raphael Murri vom DTC die Unfallstelle. Umso wichtiger scheint es, dass Notbremsassistenten per Gesetz nicht manuell ausgeschaltet werden können.
Dass der aktuelle Stand der Technik zu weitaus mehr imstande ist, als dies vom Gesetzgeber als Massstab betrachtet wird, zeigt schliesslich die Demonstrationsfahrt mit dem Mercedes-Benz Truck. Der Active Brake Assistant leitet von sich aus von 80 km/h die Notbremsung ein und kommt vor dem Hindernis zum kompletten Stillstand. "Der Stand der Technik hat die Gesetzgebung schon seit längerem überholt. Grundsätzlich könnten mit den Notbremsassistenzsystemen der neusten Generation die meisten Auffahr-Kollisionen verhindert werden, indem Fahrzeuge vor dem Hindernis zum Stehen kommen." so Jürg Lüthi, CEO Mercedes-Benz Trucks Schweiz AG. "Es bleibt zu hoffen, dass die Gesetzeslage so rasch wie möglich auf europäischer Ebene verschärft wird und die Fahrzeughersteller mit der Technik aufrüsten müssen. Damit könnten dramatische Unfallfolgen auf ein Minimum reduziert werden und damit die Verkehrssicherheit nochmals entscheidend verbessert wird", so Daniel Junker von der Baloise abschliessend.
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